Leitungswasser: kann man ihm blind vertrauen?

Wassertrinken
Wassertrinken

Über unser Trinkwasser gibt es immer wieder bedenkliche Meldungen. Nitrat findet sich im Grundwasser, ältere Wasserleitungen bestehen aus Blei. Daher stellt sich die Frage: Können wir bedenkenlos unser Leitungswasser trinken? Immerhin warnt sogar das Umweltbundesamt vor der Nitratbelastung im Grundwasser. Ist blindes Vertrauen in das Leitungswasser gerechtfertigt?

Wie vertrauen die Deutschen dem Leitungswasser?

Das Vertrauen hierzulande in die Trinkwasserqualität ist im Grunde sehr hoch. Seit 2007 führt der VkU (Verband kommunaler Unternehmen) eine jährliche Befragung zum Image und zur Qualität des deutschen Trinkwassers durch. Das Ergebnis des Jahres 2016:

  • 83 % aller Befragten beurteilen das Leitungswasser hinsichtlich seiner Qualität als sehr gut bis gut.
  • 92 % der Bürgerinnen und Bürger sind der Ansicht, dass deutsches Leitungswasser bedenkenlos getrunken werden kann.
  • Jeder 12. Deutsche hat Bedenken bezüglich des Trinkwassers, ein noch höherer Prozentsatz zweifelt zumindest zeitweilig an dessen Qualität.

Die Bedenken haben in jüngster Zeit zugenommen, seit die EU-Kommission über die Verlängerung der Glyphosatzulassung nachdenkt und seit das Umweltbundesamt am 9. Juni 2017 eine Warnung zum Trinkwasser herausgab. Diese Warnung betraf allerdings nicht die Qualität des Wassers, sondern die möglicherweise steigenden Kosten, um die aktuelle Qualität zu halten. Nach Expertenmeinung hatte diese Warnung auch politische Gründe. Sie soll auf einige Zustände aufmerksam machen, die das Grundwasser belasten. In Deutschland wird es durch die Massentierhaltung mit ihrem Überschuss an Gülle und durch die konventionelle Landwirtschaft beeinträchtigt. Letztere setzt Kunstdünger ein, während die Bio-Landwirtschaft ohne diesen auskommt. Billiges Gemüse und billiges Fleisch vergiften demnach unser Grundwasser. Natürlich wird es wieder entgiftet, doch das kostet immer mehr Geld.

Was besagt die Trinkwasserverordnung?

Unsere Trinkwasserverordnung sorgt dafür, dass Leitungswasser das am strengsten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland ist. Das bestätigen neutrale Experten etwa von Öko-Test. Deutsches Trinkwasser darf bestimmte Schadstoffgrenzwerte nicht überschreiten, die Kontrollen werden ab Wasserwerk und an verschiedenen Entnahmestellen jeder Gemeinde täglich durchgeführt. Im Labor erfolgt dann eine Kontrolle des Wassers nach chemischen, physikalischen und biologischen Parametern. Die Untersuchungen nehmen die Wasserversorger vor, die unter staatlicher Aufsicht der Gesundheitsämter stehen. Angesichts dieser lückenlosen Kontrolle fragt es sich, woher die Bedenken gegen das Leitungswasser kommen.

Wie könnten Giftstoffe in unser Trinkwasser gelangen?

Um das zu verstehen, muss man den Wasserkreislauf in Deutschland kennen. 70 Prozent unseres Trinkwasser stammen aus Quell- und Grundwasser, der Rest aus Seen, Flüssen, Talsperren und Brunnen in der Nähe von Flüssen und Seen (sogenannte Uferfiltrate). Die Wasserwerke analysieren das Grundwasser und bereiten es größtenteils auf. In einigen Fällen wie bei Quellwasser genügt eine Filterung von Schwebstoffen. Dann schicken es die Wasserversorger durch Rohrleitungen zu unseren Hausanschlüssen. Exakt bis dorthin gilt die Trinkwasserverordnung. Ab unserem Hausanschluss allerdings sind wir selbst verantwortlich. Wer also auf alte Leitungen setzt, verringert möglicherweise dadurch die Qualität des an sich sauberen Leitungswassers. Es gibt natürlich auch schädliche Substanzen im geförderten Wasser, nämlich unter anderem durch Pestizide und Düngemittel der konventionellen Landwirtschaft. Vor allem die Nitratbelastung ist in Deutschland sehr hoch. Auch aus dem Abwasser kommen Giftstoffe. Das Abwasser durchläuft Klärwerke, doch diese filtern manchmal nicht alle Chemikalien heraus. Vor allem Arzneimittelreste belasten das Abwasser und bisweilen auch die öffentlichen Gewässer. Dennoch sollen diese Reststoffe endgültig ausgefiltert werden, bevor das Wasserwerk neues Trinkwasser in die Haushalte schickt. Es gibt zwei Reinigungsprozesse: den des Abwassers und den des Trinkwassers. Dadurch ist der Schadstoffanteil im Leitungswasser so gering, dass ernste gesundheitliche Schäden nicht zu befürchten sind und praktisch auch nicht vorkommen. So ein Fall würde blitzartig durch die Medien gehen und einen riesigen Rummel verursachen. Jedoch ist bekannt, dass unser Leitungswasser “mehr oder weniger” gesund ist. Es gibt Regionen, in denen gelegentlich vor kontaminiertem Trinkwasser gewarnt wird. Das hat zwei mögliche Ursachen: technische Pannen im Wasserwerk oder eine so starke Belastung des Grundwassers, dass es höchstens grenzwertig gefiltert werden kann. Das wird dann bei den täglichen Proben festgestellt. Familien mit Kleinkindern sowie mit älteren und geschwächten Personen sollten dann das Wasser abkochen. Solche Fälle sind sogar nicht so selten, wie man glaubt. Sie werden online publiziert. Am 15. November 2017 waren 472 solcher Warnungen zu finden, unter anderem:

  • Berlin – Arzneimittel
  • Köthen – Blei, Eisen
  • Fuchstal – Legionellen
  • Griesstätt – Keime

Wenn die Schadstoffbelastung unseres Grundwassers steigt, dürften sich die Fälle häufen. Bislang wird nur sehr selten das Wasser abgestellt, weil die Grenzwerte überschritten wurden. Die Warnungen geben die Wasserwerke schon ab einem kritischen Punkt unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte heraus. Doch wir stehen offenbar dicht vor dem Szenario, an welchem wirklich einmal die Grenzwerte überschritten werden könnten. Da die Wasserwerke so gründlich kontrollieren, dürfte es wohl auch dann nicht zu ernsthaften Vergiftungen kommen, zu einem häufigeren Ausfall der Wasserversorgung aber schon. Immerhin weist Deutschland beispielsweise bei der Nitratbelastung zusammen mit Malta die höchsten EU-Werte auf. Schon 2014 leitete daher die EU-Kommission gegen Deutschland die zweite Stufe des hierfür vorgesehenen Vertragsverletzungsverfahrens ein, im April 2016 folgte dann die Klage der Kommission gegen Deutschland vor dem EuGH. Deutschland hatte es versäumt, strengere Maßnahmen gegen unsere Nitratbelastung zu ergreifen.

Wie ist die Nitratbelastung aktuell beschaffen?

Die Warnung des UBA vom Juni 2017 hatte einen handfesten Hintergrund: In mehr als 27 Prozent der deutschen Grundwasserkörper (also der Wasserreservoire) überschritt die Nitratbelastung den zulässigen Grenzwert, der nach EU-Auflagen bei 50 mg/l liegt. Dieses Nitrat filtern unsere Wasserwerke sehr teuer heraus. Es kommt von der Gülle auf den Feldern, die wiederum durch die intensive Tierhaltung massenhaft anfällt. Der zweite Verursacher ist Mineraldünger für den Gemüse- und Obstanbau. Wenn die Nitrateinträge nicht alsbald sinken, werden die betroffenen Wasserversorger wesentlich teurere Aufbereitungsmethoden für das Leitungswasser anwenden müssen. Die Studie des UBA geht von erhöhten Trinkwasserkosten im Bereich zwischen 55 bis 76 ct/m³ Wasser (je nach Region) aus. Das wäre eine Preissteigerung zwischen 32 und 45 Prozent. Vermieter werden diese Preissteigerung auf die Nebenkosten umlegen, eine vierköpfige Familie würde dann jährlich bis zu 134 Euro mehr für das Wasser bezahlen. Verhindern lassen sich Nitratbelastungen vorrangig durch die ökologische Landwirtschaft. Wer also Bio-Produkte kauft, schont auch unser Wasser.

Giftstoffe im Trinkwasser durch hauseigene Rohrleitungen

Die Trinkwasserverordnung schützt das Wasser bis zum Hausanschluss. Ab diesem Punkt lauert das nächste Problem: Aus hauseigenen Rohrleitungen treten bisweilen ebenfalls Schadstoffe aus. Kritisch sind Blei, Kupfer, Cadmium und Nickel. In Altbauten gibt es manchmal noch Bleirohre, Kupfer ist sogar häufig anzutreffen. Wer in solchen Wohnungen lebt, kann sich vom örtlichen Gesundheitsamt die Kontaktdaten eines Trinkwasserlabors geben lassen und durchaus auf eigene Faust einmal das Wasser testen lassen. Wenn diese festzustellen sind, ist der Vermieter verpflichtet, die Leitungen auszuwechseln.

Kalk und Rost im Trinkwasser

Die Kalk- und Rostbelastung ist nicht gesundheitsschädlich, aber unangenehm. Sie ist auch online vom regionalen Wasserwerk zu erfahren. Kalk wird in °dH angegeben (Grad deutscher Härte), in einigen Regionen liegt sie über 20 °dH und damit sehr hoch. Die Bewohner solcher Gemeinden verwenden ihr Wasser nur gefiltert, weil es die Wäsche und alle Rohrleitungen – auch die der Armaturen, der Waschmaschine oder des Kaffeeautomaten – beschädigt. Kalk lässt sich zumindest von Armaturen mit Zitronenreiniger beseitigen. Rost (ein hoher Eisengehalt) sieht unschön aus, er verschwindet durch längeres Laufenlassen von kaltem Wasser.

Ist Wasser aus Flaschen eine Alternative?

Ganz eindeutig: leider nein. Mineralwässer enthalten selten mehr Mineralien als unser Leitungswasser und sind auch nicht automatisch gesund. Es ist gesetzlich keine Mindestmenge an Mineralien in ihnen vorgeschrieben. So eine Vorschrift gab es einmal, sie wurde aber in Deutschland 1980 abgeschafft. Der Mineralstoffgehalt von Mineralwasser hängt von der Region ab, aus dem es stammt. Im Jahr 2013 nahm die Stiftung Warentest einen Test natürlicher Mineralwasser vor und stellte fest, dass rund 50 % aller Classic-Wasser sowie über 60 % aller stillen Mineralwasser eher “mineralstoffarm“ waren. Mehr Mineralien für unsere Gesundheit gibt es eher im Leitungswasser. In manchen der Mineralwassermarken gibt es sogar Schadstoffe je nach Region, aus der das verwendete Wasser stammt. Zu finden sind Pestizidmetaboliten, die aus dem Abbau von Pestiziden entstehen, und Uran, das in manchen Gegenden im Gestein natürlicherweise vorkommt. Natürlich wird auch dieses Wasser auf seine Unbedenklichkeit überprüft, die enthaltenen Schadstoffe dürfen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Doch es ist nur selten wirklich frei von Schadstoffen. Wichtig zu wissen: Die Vorgaben der Trinkwasserverordnung sind strenger als diejenigen der Tafel-und Mineralwasserverordnung. Zudem besteht bei der Lagerung von Wasser in Plastikflaschen der Verdacht der Übertragung von hormonell wirksamen Chemikalien im Plastik. Über nötige Grenzwerte wird aktuell gestritten. Davon abgesehen ist die Verwendung von Plastikflaschen wegen des entstehenden Mülls, der nur ungenügend recycelt wird, ein zusätzlicher ökologischer Unsinn.

Fazit: Können wir nun dem Leitungswasser blind vertrauen?

Nein, blind können wir ihm nicht vertrauen. Doch wirklich gute Alternativen gibt es auch nicht. Wer Zweifel hat, kann für geringe Kosten einen Labortest des eigenen Trinkwassers durchführen lassen. Grund zur Panik besteht aber auch nicht, die deutsche Trinkwasserverordnung funktioniert gut. Da wir auf Wasser nicht verzichten können, sollten wir mit Filtern, Wassersprudlern und BPA-freien Trinkflaschen für das Wasser auf Reisen operieren.

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